Mittwoch, 10. April 2019
Geruchstraining
Ich weiß, ich weiß, man soll seine Krankheiten nicht googlen, aber was blieb mir anderes übrig, nach dem eher unbefriedigenden Arztbesuch? Schon bald stieß ich auf das Thema Geruchstraining, das mit speziellen Duftstiften, aber auch mit ganz normalen ätherischen Ölen gemacht werden kann.

Also auf in den Naturkosmetikladen!

An der "Duftbar" mit Ölen stellte ich frustriert fest, dass ich die meisten nicht oder kaum mehr erschnuppern kann, egal wie stark sie sind.

Das klassische Dufttraining empfielt die Sorten Rose, Zitrone, Nelke und Eukalyptus, dazu wählte ich noch Tonkabohne und Wintergrün, weil ich beides ein klein wenig wahrnehmen konnte.

Mindestens zweimal täglich, so heißt es, soll man an diesen Ölen ausgiebig schnuppern.

Schon nach ein paar Tagen merkte ich, dass meine Duftwahrnehmung etwas schwankt, dass ich also nicht alles an jedem Tag gleich gut riechen kann. "Gut" ist eh relativ, ich rede hier von einem Hauch der Duftwahrnehmung, und auch nur dann, wenn ich mir die Fläschchen mit den superstarken Ölen direkt unter die Nase halte!

Ob es durch das Kortisonspray kommt, weiß ich nicht, aber meine Nase ist derzeit ungewöhnlich frei, und besonders das Nelkenöl konnte ich nach einiger Zeit ziemlich gut wahrnehmen. Eine wirklich signifikante Verbesserung ergab sich bis jetzt jedoch nicht. Trotzdem setze ich die Übung mehrmals täglich fort, denn es geht offenbar darum, dass sich die Riechnerven wieder neu verschalten, wenn (falls!) sich die Zellen in der Nase regenerieren, und dazu braucht es natürlich Anregungen durch Geruchsreize.

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Clementine
Als ich sie aus dem Obstkorb nahm, fühlte sie sich an wie ein Ball aus Plastik. Ich hielt sie an die Nase. Nichts.

Doch als ich die Fingernägel in ihre Schale grub, explodierte das Aroma. Ich riss ein Stück der Schale ab und spritzte das ätherische Öl direkt an meine Nasenlöcher.

Die Clementine ist der einzige Duft, denn ich zumindest aus allernächster Nähe noch in derselben runden Fülle wahrnehme wie vor meiner Erkrankung. (Schmecken kann ich das Aroma der Frucht leider nicht; wie der Apfel ist sie einfach nur süß und etwas säuerlich.)

Die Idee für dieses Blog war mir schon seit einigen Tagen im Kopf herumgegangen. Nun hatte ich auch einen Namen dafür.

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Wie alles begann
Es war ein ganz banaler Infekt, vielleicht etwas heftiger als das, was mich sonst häufig nach Ende des Winters ereilt hat. Auf bellenden Husten folgte ein Tag mit furchtbarem Fließschnupfen und Niesanfällen. Schon bald war die Nase wieder frei. Aber ich roch nichts mehr. Erst fand ich es noch lustig und schob es auf die Folgen der Erkrankung, dass ich eine mir dargereichte Fischsuppe als Hühnersuppe identifizierte.
Doch schon bald merkte ich, dass etwas ganz und gar nicht stimmte.

Mein erster Weg führte mich zur Ärztin meines Vertrauens, die sich zum Glück auch mit Akupunktur auskennt. Sie setzte Nadeln, die einen Hauch Duft zurückbrachten (leider nur für eine halbe Stunde) und empfahl dann den Besuch beim Spezialisten.

Frohgemut machte ich mich also auf zum HNO-Arzt, der diverse Geräte in meine Nase steckte, mir ein Kortisonspray in die Hand drückte und sagte: "Wir sehen uns in fünf Wochen. Manchmal normalisiert sich das wieder, manchmal bleibt es auch, wie es ist."

Na, dankeschön.

Nach einer angenehm ablenkenden Arbeitswoche holte mich am Wochenende die grausame Wirklichkeit ein.

Meine Welt war grau geworden.

Ich hätte mir niemals vorstellen können, wie sehr die Wahrnehmung von Geruch und Geschmack bestimmt wird. Dazu gehört auch, sich selbst zu schmecken und zu riechen! Ich begann, mich wie besessen zu waschen und die Wäsche zu wechseln. Das aluminiumfreie Naturdeo wanderte in den Schrank, stattdessen benutze ich jetzt ein Normaldeo, dessen Duft ich sonst als unangenehm scharf und künstlich empfand. Jetzt entpuppte es sich als das einzige meiner Kosmetikprodukte, von dem zumindest ein Hauch von Duftwahrnehmung in mein geplagtes Gehirn vordringt. Alles andere (Seifen, Shampoos, Gesicht- und Hautcremes) riecht - nach nichts.

Noch viel schlimmer ist es beim Essen. "Eingeschlafene Füße" oder "Pappdeckel" beschreibt das nicht vorhandene Aroma sämtlicher Speisen sehr genau. Das klingt jetzt vielleicht nüchtern oder gar komisch, in Wirklichkeit brach ich in den ersten Tagen bei jedem neuen enttäuschenden Nicht-Geschmacks-Erlebnis in Tränen aus. Tee und Kaffee schmecken für mich wie Spülwasser. Das einzige, was ich schwach wahrnehmen kann, ist der Kümmel im Schwarzbrot - das Brot selbst hat kein Aroma mehr.

Erhalten blieben mir die Wahrnehmungen süß, sauer, salzig und bitter. Das heißt also, von einem Apfel dringen einzig seine Süße und Säure durch. Er könnte aber jede beliebige andere Frucht ähnlicher Konsistenz sein. Von einer Birne könnte ich ihn wohl nicht mehr unterscheiden.

Essen und Trinken ist zu einer höchst lästigen Pflicht geworden. Am liebsten würde ich mich nur noch von Tabletten oder geschmacklosen Pulvern mit Nährstoffen ernähren - die unterschiedlichen Lebensmittel machen mir keine Freude mehr, sondern erinnern mich nur schmerzlich an das, was ich (vielleicht für immer) verloren habe.

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Hallo
Ich bin Clementine, mittelalt und mittelgroß. Nach einem Infekt habe ich meinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren. Das Ganze nennt sich post-virale Anosmie. Hier schreibe ich auf, wie es sich damit lebt, nicht zuletzt damit andere Betroffene sehen, dass sie nicht allein
sind.

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